„Bei schlechten Texten bin ich gleich im Dienst!“

Antje Winkler im Gespräch mit Undine Belger, Redakteurin des Leipziger Amtsblattes

Sprache ist noch immer unser wichtigstes Kommunikationsmittel. Doch während wir beim Sprechen relative Freiheiten genießen, sich Dialekte einschleichen und Verkürzungen entstehen, sind wir beim Schreiben an Regeln gebunden. Ob groß oder klein, Komma nicht oder doch – der Duden als Standardwerk gibt vor, wie wir das Gesprochene auf dem Papier abzubilden haben.
Kein leichtes Unterfangen für Text-Verfasser aller Couleur, denn Qualität ist ein Muss und vieles eine Frage der Zeit – aber wer hat schon den Duden im Kopf?

Vielleicht Sie, Antje Winkler?
Nein, ganz sicher nicht. Aber ich weiß, wo ich im Zweifel nachschlagen kann. Für mich ist der Duden das wichtigste Arbeitsmittel, und meine Virtuosität im Umgang mit diesem Regelwerk ist mit den Jahren mehr als gewachsen. Aber das allein macht nur einen Teil der Fähigkeiten aus, die man braucht, um wirklich einen orthografisch und grammatikalisch sauberen, stilsicheren, logisch aufgebauten, wirkungsvollen Text abzuliefern.

Welche Voraussetzungen gehören dazu?
Natürlich eine fundierte Ausbildung. Ich bin keine Germanistin, habe aber meinen Beruf von der Pike auf gelernt: Als umfassend ausgebildete Korrektorin durchwanderte ich täglich aufs Neue die Höhen und Tiefen von Rechtschreibung, Grammatik und Stil. Heute gibt es diese Ausbildung nicht mehr, was in den Printmedien nicht zu übersehen ist.

Aber Ausbildung ist wohl nicht alles?
Man muss die Abbilder Hunderter Wörter im Kopf haben, denn die deutsche Rechtschreibung folgt längst nicht nur der Logik. Dahin kommt man mit eifrigem Lesen – das hab ich als Kind schon getan, gern nächtelang mit der Taschenlampe unter der Bettdecke. Es erweitert den Wortschatz, und schnell stellt sich dann auch das viel gepriesene Bauchgefühl ein.
Das Gefühl für Sprache ist überhaupt eine Grundvoraussetzung in meinem Beruf. Ich muss spüren, welche Tonalität mein Text respektive mein Kunde verlangt, muss jede Spielart bedienen können – von nüchtern-sachlich über wissenschaftlich-korrekt bis kreativ, lyrisch, prosaisch oder werblich-modern. Das geht dann allerdings schon sehr in Richtung Lektorat.

Was macht am Ende für Sie einen guten Text aus?
Er darf nicht langatmig sein, der Satzbau muss wechseln, Wiederholungen versuche ich zu vermeiden. Der Text muss mich neugierig aufs Lesen machen. Er muss mich als Mensch berühren – ausgenommen Fachtexte, die trotzdem obigem Grundmuster folgen sollen –, mich als Mensch, erst dann die Korrektorin Antje Winkler. Bei schlechten Texten bin ich gleich im Dienst.

Eine komplizierte Rechtschreibung sichert Ihnen eine stabile Auftragslage. Lehnen Sie da auch das eine oder andere ab?
Ja, wenn ich ethische, politische oder moralische Bedenken bezüglich der Textinhalte habe. Das war bislang dreimal der Fall. Ich stehe ja mit meinem Namen auch für das Produkt, zumal ich recht oft im Impressum stehe oder im Vorwort erwähnt werde.
Ansonsten bearbeite ich alle Aufträge chronologisch und in kürzester Zeit, teils innerhalb weniger Stunden, beispielsweise beim Werbelektorat. Ich komme aus der Zeitungsproduktion, ich kenne keinen Leerlauf.

Und wie sieht der optimale Kunde aus?
Es ist einer, der mir vertraut, weil ich das kann, was ich seit 20 Jahren tue. Einer, der so konkret wie möglich sein Anliegen formuliert und Terminabsprachen einhält, nach denen ich meinen Zeitplan aufbaue. Das Weitere ergibt sich ganz schnell durch die Arbeit, und zu vielen meiner Kunden pflege ich mittlerweile einen freundschaftlichen Kontakt – auch in Zeiten, in denen ich nicht unmittelbar für sie arbeite.

Weil? Da gibt’s doch noch ein Geheimnis?
Geheimnis? Ja, vielleicht: Ich bin oft für meine Kunden diejenige, zu der sie sagen: „So, Frau Winkler, jetzt haben Sie unseren Text – nun wird alles gut.“ Und das höre ich gern.

Vielen Dank für dieses ermunternde, aufschlussreiche Gespräch!